Warum sind die Jurafuchs Lerninhalte gender- und diversitätssensibel?

Juristische Ausbildungsfälle und zumindest einige Juristische Repetitorien bilden und perpetuieren Geschlechter-Stereotypen. Solche Stereotypen beeinflussen häufig unbemerkt die eigene Wahrnehmung und haben reale Konsequenzen. In den mündlichen juristischen Staatsprüfungen zum Beispiel werden Frauen und (vermeintliche) Migrant:innen erwiesenermaßen schlechter benotet. Möglicherweise setzen sich die Stereotype auch in der Rechtspflege fort.

Dem gesamten Jurafuchs-Team ist es ein wichtiges, auch persönliches, Anliegen, zumindest einen kleinen Beitrag zu leisten, diesen status quo zu verändern. Wir wollen nicht akzeptieren, dass wir selbst, unsere Freunde, Kommilitonen, Schwestern oder Töchter diskriminiert werden. Gute Lehre ist unserem Verständnis nach gender- und diversitätssensibel.

1. Stereotype in der Juristischen Ausbildung & den Staatsexamina

Die Uni Hamburg hat im Jahr 2016 „Geschlechterrollenstereotype in juristischen Ausbildungsfällen“ untersucht und dazu 87 juristische Übungsklausuren ausgewertet.[1] Bei den untersuchten Klausuren ergab sich das folgende Bild:

  • Von 393 natürlichen Personen waren 316 männlich (80 %), 70 weiblich (18 %) und 7 ohne Geschlechtszuordnung (2 %).
  • Die wenigen Frauen wurden zwar mehrheitlich (inter-)agierend (76 %) dargestellt. Allerdings werden 46 % der weiblichen Fallpersonen über ihre Beziehung zu einem Mann definiert, z.B. als „Ehefrau des M“, „Ex-Freundin des K“ oder „Geliebte des T“.
  • Auch bei den Berufen wurden geschlechtsbezogene Stereotype bedient, während Männer z.B. mit Baustoffen oder Oldtimern handelten, arbeiteten Frauen in einer Bäckerei. In allen Fällen waren insgesamt nur 3 Frauen selbständig oder als Geschäftsführerin tätig (u.a.: eines Schönheitssalons), dafür aber 44 Männer. Selbst in den juristischen Berufen betätigten sich sechsmal so viele Männer wie Frauen (36 Männer, 6 Frauen).

Zahlreiche Belege für dieses Geschlechterrollenverständnis findet Ihr auch auf dem Instagram-Kanal „Üble Nachlese“ des Deutschen Juristinnenbundes. Hier ein paar Beispiele:

Dass diese stereotypen Darstellungen nicht ohne Folgen bleiben, zeigt sich schon in der Ausbildung. So hat eine Auswertung von mehr als 18.000 Staatsexamen ergeben, dass Frauen und Migrant:innen im mündlichen Jura-Examen schlechter benotet werden als deutschstämmige Männer.[2]

2. Wie gehen wir damit bei Jurafuchs um?

Als wir 2018 die ersten Jurafuchs-Fälle erstellt haben, haben wir uns an klassischen Lehrbuchkonstellationen orientiert und uns – um ganz ehrlich zu sein – selbst wenig Gedanken gemacht darüber, dass wir zur Perpetuierung des Status Quo beitragen. Wir haben aber eine sehr kluge Community und haben dann recht schnell verstanden, dass wir Teil des Problems waren. Wir haben im Anschluss eine ausführliche Diskussion in unserem Team und mit unserer Community geführt und sind zu sehr klaren Überzeugungen gelangt. Auf der einen Seite wollen wir geschlechter- und diversitätssensibel sein. Auf der anderen Seite wollen wir um keinen Preis die Lesbarkeit und Verständlichkeit unserer Lerninhalte aufgeben. Jurafuchs ist für die klare, präzise, schlichte und schnörkellose Sprache bekannt. Vor diesem Hintergrund haben wir uns gegen genderneutrale Sprache (Binnen-I, Stern, Doppelpunkt, Beidnennung binärer Geschlechter) entschieden.

Wir glauben, dass die bessere Lösung „Gendertrouble“ bzw. „Diversitätstrouble“ ist. Dies bedeutet, dass wir bei der Erstellung unserer Fälle darauf achten, geschlechter- und minderheiten-stereotype Darstellungsweisen zu vermeiden und klassische Rollenmodelle zu durchbrechen bzw. umzukehren (z.B. Geschäftsführerin G und Sekretär S, erfolgreiche Migranten, LGBTQ+ usw.). 

Einige Beispiele hierfür findet ihr im Folgenden:

Auch wir sind nicht perfekt. Insbesondere Aufgaben, die wir vor einigen Jahren erstellt haben, beinhalten teilweise noch keinen Gendertrouble. Aber wir machen sehr große Fortschritte. Und wir sind weiterhin dankbar über Zuschriften zu konkreten Aufgaben und Verbesserungsvorschlägen aus unserer Community heraus.


[1] Valentiner, (Geschlechter)Rollenstereotype in juristischen Ausbildungsfällen, abrufbar unter: https://www.uni-hamburg.de/gleichstellung/download/studie-rollenstereotypen-geschlechterforschung-1.pdf

[2] Towfigh/Traxler/Glöckner, Geschlechts- und Herkunftseffekte bei der Benotung juristischer Staatsprüfungen, ZDRW 2018, 115