Lernen, Jurastudium

29 Januar 2024
Lesezeit: 5 minuten

Der ultimative Guide: So lernst Du hunderte von Definitionen effektiv und nachhaltig

Christian
Leupold-Wendling, LL.M. (Cambridge)

Definitionen + KI + Spaced Repetition = ✨ Magic

Jura ist ein Verständnisstudiengang. Das Schwierige an den Scheinklausuren und den Staatsexamen: Du wirst mit einem unbekannten Sachverhalt konfrontiert. Das reine „Abladen“ von Wissen ist ausgeschlossen. Stattdessen musst Du den Sachverhalt analysieren, bewerten und unter überzeugendem Einsatz des juristischen Handwerkszeugs einer vertretbaren Lösung zuführen. Ist also die weitverbreitete Meinung, dass man im Jurastudium viel auswendig lernen müsste, ein Irrtum? Fehlanzeige!

Ohne auswendig gelernte Definitionen wirst Du keine einzige Klausur erfolgreich bestehen

Eine Klausur wirst Du nur erfolgreich bestehen, wenn Du zunächst sauber den abstrakten rechtlichen Maßstab herausarbeitest, den Du dann auf den konkreten Sachverhalt anwendest (=Subsumtion). Das Problem: Gesetze sind in der Regel so allgemein formuliert, dass sie eine Vielzahl von Sachverhalten erfassen. Um die Gesetze anwenden zu können, musst Du die einzelnen Merkmale erst einmal konkretisieren und definieren können. Du kannst zwar versuchen, Dir dies durch Auslegung (Wortlaut, Systematik, Historie, Telos) zu erarbeiten. Das kostet allerdings wertvolle Zeit.

Hinzu kommt: Zahlreiche Definitionen sind das Ergebnis einer jahrzehntelangen Entwicklung in Lehre und Rechtsprechung. Diese Entwicklung wirst Du häufig nur schwer in der sehr begrenzten Bearbeitungszeit einer Klausur nachvollziehen können. Auch im zweiten Examen hast Du nicht die Zeit, jede einzelne Definition im Kommentar nachzuschlagen. Ohne einen Grundbestand an 400+ Definitionen, den Du im Schlaf auswendig kannst, wirst Du keine einzige Klausur erfolgreich bestehen.

Definitionen sind die Brücke zwischen dem Gesetz und der Anwendung auf den Einzelfall

© Jurafuchs | Definitionen sind das Bindeglied zwischen dem Maßstab im Gesetz und der Anwendung auf den Einzelfall

Hier ist ein Beispiel: In § 223 Abs. 1 StGB steht: Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.” Das Gesetz hast Du in juristischen Prüfungen dabei, diesen Text brauchst Du also nicht auswendig zu lernen.

Wenn Du in einer Strafrechts-Klausur eine Körperverletzung prüfen möchtest, musst Du vor der Anwendung auf den konkreten Sachverhalt eine oder beide Varianten des Straftatbestands definieren. Was die Rechtswissenschaft unter “körperlicher Misshandlung” versteht, steht nicht im Gesetz. Und das kannst Du Dir in der Klausur auch nicht herleiten. Du musst wissen, was die ständige Rechtsprechung und herrschende Lehre unter einer “körperlichen Misshandlung” versteht. Die Definition ist das fehlende Bindeglied. Ohne sie wirst Du zwangsläufig scheitern.

Eine körperliche Misshandlung ist “eine üble, unangemessene Behandlung, die entweder das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit mehr als nur unerheblich beeinträchtigt.

Definition aus dem Wissensportal von Jurafuchs (wissen.jurafuchs.de)

Diesen Maßstab kannst Du dann auf den Einzelfall anwenden. Dazu musst Du dann darlegen, was dafür spricht, dass der mutmaßliche Täter das Opfer “übel” und “unangemessen” behandelt hat usw.

Du brauchst mehr als 400 Definitionen

© Jurafuchs | In der Jurafuchs-App findest Du etwa 800 Definitionen.

Wieviele Definitionen Du für das Erste und Zweite Juristische Staatsexamen auswendig können solltest, ist schwer zu sagen. Es dürften jeweils im Zivilrecht, Strafrecht und Öffentlichen Recht ein paar Hunderte sein.

  • Der “Beulke / Zimmermann | Klausurenkurs im Strafrecht III” enthält beispielsweise allein für das Strafrecht bereits 210 Definitionen.
  • Die Jurafuchs-App enthält für das Zivil-, Straf- und Öffentliche Recht etwas mehr als 800 Definitionen, die auch in unterschiedlichen Fällen Anwendung finden. Da sind auch ein paar Definitionen dabei, die eher Spezialwissen als Grundwissen sind. Aber wir schätzen: Etwa 50% davon gehören zum Pflichtwissen.

Wer das Auswendiglernen geringschätzt, ist nicht sehr schlau

Es gibt eine teilweise vertretene Auffassung – vor allem unter Professor:innen, deren Juristische Staatsexamina bereits einige Dekaden zurückliegen – dass Student:innen Definitionen nicht explizit auswendig lernen müssten:

“Die Studenten sitzen in der Vorlesung Strafrecht* Allgemeiner Teil und möchten ein Schema mitgeteilt bekommen, mit dem man einen einfachen Strafrechtsfall lösen kann. Das Schema schreiben sie auf eine Karteikarte, zusammen mit wichtigen Begriffen und Definitionen. Die Karten versuchen sie später auswendig zu lernen. Das ist grob falsch. […] Wer so lernt, wird nicht sehr schlau.”

Thomas Fischer im Interview mit Zeit Campus, „Jura ist leicht“, 29.10.2014

Jedenfalls bezogen auf das Erlernen von Definitionen ist dieser (wahrscheinlich gut gemeinte) Tipp zum Jurastudium grob fahrlässig. Definitionen fliegen Dir nicht zu! Egal wie gut Du die Juristische Methodik verinnerlicht hast, egal wie gut Dein Systemverständnis ist, egal wie schlau Du Dich fühlst oder tatsächlich bist – wenn Du in einer Strafrechtsklausur eine unvollständige Definition bringst und in der Folge einen Teil der Tatbestandsvoraussetzungen nicht prüfst, wird es unweigerlich Punktabzug geben.

Natürlich genügt das Auswendiglernen von Definitionen nicht, um ein Prädikatsexamen zu schreiben. Aber ohne Definitionen ist das vollkommen ausgeschlossen! Juristische Brillianz ohne Lernen gibt es nicht. Weißt Du, wer im 1. Semester Jura an meiner Alma Mater (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg) die Strafrechtsdefinitionen wie aus der Pistole geschossen parat hatte? Einer der besten Studenten und Ausnahmejurist (der im Übrigen heute Jura-Professor ist).

Definitionen auf Karteikarten schreiben ist reine Zeitverschwendung

© Ferenc Horvath

Es gibt eine weit verbreitete Auffassungen, dass das Abschreiben oder Zusammenfassen von Lehrbuchtexten bereits einen ganz entscheidenden Lerneffekt hätte. Die Forschung hält diesen Effekt für gering. Das gilt in besonderer Weise für das bloße Abschreiben von Definitionen aus Lehrbüchern oder Skripten auf Karteikarten. Das dürfte reine Zeitverschwendung sein.

Es gibt genügend Karteikarten-Sätze, die von juristischen Redaktionen erstellt und gepflegt werden. Greife darauf zurück und spare Dir auf diese Weise bereits 15-20 Stunden wertvolle Lernzeit (in der Anfangsphase des Jurastudiums ist das ohne weiteres eine ganze Woche Lernzeit). Diese Zeit kannst Du besser investieren, um die Definitionen auswendig zu lernen und in der Fall-Lösung Dein juristisches Handwerkszeug auszutesten.

Abfragen mit Künstlicher Intelligenz (KI)

Angenommen Du hast alle Definitionen, die Du auswendig lernen möchtest, auf (digitalen) Karteikarten: Jetzt hast Du ein Abfrage-Problem. Definitionen zu wiederholen ist eine wirklich zähe Tätigkeit! Du brauchst eine wahnsinnige Disziplin, um wirklich die gesamte Definition aufzusagen, bevor Du die Karteikarte umdrehst. Die Wahrscheinlichkeit, dass Du es nach ein paar Karten nicht mehr ganz so genau nimmst und Dich etwas selbst betrügst, ist sehr groß (aus eigener Erfahrung…).

Eine Lösung ist es, jemanden zu finden, der Dich Definitionen abfragt. Das macht mehr Freude als allein. Und anfangs ist das auch (für Nicht-Jurastudierende) vielleicht ganz interessant, so einen kleinen Einblick in die Jura-Welt zu bekommen. Aber angenommen Du lernst 400 Definitionen, brauchst für jede Abfrage ca. 3 Minuten, und benötigst 5 Wiederholungen, um sie in Dein Langzeitgedächtnis zu bekommen: Dann brauchst Du jemanden, der Dich 100 Stunden lang abfragt und das in ganz bestimmten Zeitabständen. Das Interesse an Jura-Definitionen verfliegt nach meiner Erfahrung schneller. Das ist also keine echte Option. Nach ein, zwei Abfrage-Sessions wirst Du wieder auf Dich allein gestellt sein.

Bühne frei für Künstliche Intelligenz! Es gibt niemanden, der Dich so gnadenlos, geduldig und zu jeder Tages- und Nachtzeit Definitionen abfragt, wie Foxxy, unseren KI-Coach. Hier kannst Du Foxxy in Aktion sehen:

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Wenn Du keine Lust hast, Definitionen über das Handy einzutippen, nutze die Spracheingabe auf Deinem iPhone / Android-Phone. Oder nutze Jurafuchs im Browser (web.jurafuchs.de).

Wiederholen mit Spaced Repetition

Ok, angenommen Du lernst Karteikarten und lässt Dich von KI abfragen. Doch ein Problem gibt es immer noch: Eine Wiederholung genügt nicht! Unser Gehirn braucht eine Weile, um neue Synapsen-Verbindungen wachsen zu lassen und diese Bahnen so zu verstärken, dass sie bleiben.

Nach der sog. ebbinghausschen Vergessens-Kurve hast Du bereits nach einem Tag wieder 65% des Gelernten vergessen. Du musst den Stoff also mehrfach wiederholen. Und zwar am besten immer genau kurz bevor Du ihn wieder vergessen hast – nicht früher und nicht später. Der Goldstandard dafür ist “Spaced Repetition”. Wie Du Definitionen mit Spaced Repetition ins Langzeitgedächtnis bekommst, haben wir einem separaten Blog-Beitrag aufgeschrieben: “So behältst Du Jura-Wissen langfristig: Spaced Repetition im Jurastudium

Zusammenfassung

  1. Du kommst nicht daran vorbei, etwa 400 Definitionen für die Juristischen Staatsexamina zu lernen. Je früher Du beginnst, desto leichter wird Dir das fallen.
  2. Gehe systematisch ans Definitionen-Lernen heran und geringschätze nicht die Fähigkeit und entsprechende Strategien für das Auswendiglernen. Es ist zwar nur ein Teil der Anforderungen, aber ein wichtiger.
  3. Verschwende Deine Zeit nicht damit, Definitionen aus Lehrbüchern auf Karteikarten abzuschreiben.
  4. Nutze die modernste Technologie (Künstliche Intelligenz), um Dich Definitionen abfragen zu lassen.
  5. Mit Spaced Repetition bekommst Du Definitionen am schnellsten und nachhaltigsten in Dein Langzeitgedächtnis.

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